Experimenta Felicitologica
Eines Abends in der Dämmerstunde tauchte der berühmte Konstrukteur Trurl, schweigsam und in
Gedanken versunken, bei seinem Freund Klapaucius auf.
Um ihn etwas aufzumuntern, wollte Klapaucius ein paar der neusten kybernetischen Witze erzählen.
Trurl winkte jedoch gleich ab und sagte:
"Gib dir keine Mühe, mich aus meiner trübseligen Stimmung zu reißen, denn in meiner Seele
hat sich ein Gedanke eingenistet, der leider ebenso wahr wie deprimierend ist.
Ich bin nämlich zu dem Schluß gekommen, daß wir in unserem ganzen arbeitsreichen Leben nichts wirklich
Wertvolles geleistet haben."
Während er das sagte, glitt sein mißbilligender Blick voller Verachtung über die stolze
Ansammlung von Orden, Auszeichnungen und Ehrendiplomen in Goldrahmen, mit der Klapaucius
die Wände seines Arbeitszimmers dekoriert hatte.
"Auf welcher Basis fällst du ein derartiges strenges Urteil?" fragte Klapaucius, dessen fröhliche
Stimmung wie weggeblasen war.
"Das will ich dir sogleich erklären. Wir haben Frieden gestiftet zwischen verfeindeten Königreichen,
haben Monarchen im richtigen Augenblick der Macht unterwiesen, haben Maschinen gebaut, die zur Jagd dienen,
haben heimtückische Tyrannen und galaktische Räuber zur Strecke gebracht, die uns hinterlistig nach dem
Leben trachteten, aber mit all dem haben wir nur den eigenen Ehrgeiz befriedigt, uns selbst die eigene Größe
bestätigt, für das Allgemeine Wohl hingegen haben wir so gut wie nichts getan. Unsere hochfliegenden Pläne,
die das Leben der armen Teufel perfektionieren sollten, denen wir auf unseren planetarischen Wanderungen
begegnet sind, wurden nicht ein einziges Mal durch den Zustand des vollkommenen Glücks gekrönt.
Statt wirklich idealer Lösungen hatten wir ihnen nur Scheinlösungen, Krücken und Surrogate zu bieten,
wenn wir also einen Titel verdient haben, so sollte man uns Scharlatane der Ontologie, spitzfindige Sophisten
der Tat nennen, nicht aber Liquidatoren des Übels!"
"Mir läuft es immer ganz kalt den Rücken herunter, wenn ich höre, wie jemand davon spricht,
daß er das universelle Glück programmieren möchte", sagte Klapaucius.
"Komm zur Besinnung, Trurl! Erinnere dich doch an all die Projekte, die sich das gleiche Ziel
gesteckt hatten, sind sie nicht samt und sonders jämmerlich gescheitert, sind sie nicht zum Grab
der edelsten Intentionen geworden?
Hast du denn schon das traurige Schicksal des Eremiten Bonhomius vergessen, der mit Hilfe der Droge
Altruizin den ganzen Kosmos glücklich machen wollte? Weißt du denn nicht, wo unsre Grenzen liegen?
Man kann bestenfalls die Ängste, Sorgen und Nöte des Daseins ein wenig mildern, im Gewissen
Umfang für Gerechtigkeit sorgen, rußig gewordenen Sonnen zu hellerem Glanz verhelfen, Öl ins Getriebe der
gesellschaftlichen Mechanismen gießen - das Glück jedoch läßt sich mit keiner Maschinerie der Welt produzieren!
Von seiner universellen Herrschaft darf man nur im stillen träumen, zur Dämmerstunde so wie jetzt,
darf seinem idealen Bilde im Geiste nachjagen und die Phantasie an süßen Visionen berauschen,
das ist aber schon alles, mein Freund, ein weiser Mann muß es dabei bewenden lassen!"
[...]
(Stanislaw Lem)